Hans Biebow und Chaim Rumkowski

Getto Litzmannstadt: Hans Biebow an seinem Schreibtisch (Quelle: USHMM, Photograph 74505A)

Formal stand das Getto auf deutscher Seite unter der Leitung von Hans Biebow, der dabei auf jüdischer Seite von Mordechai Chaim Rumkowksi unterstützt wurde, der auch nach dessen Abriegelung die jüdische Administration des Gettos weiterhin leitete. Das machte er der Bevölkerung am 3. Mai 1940 in einer Bekanntmachung unmissverständlich klar, in der er betonte, dass er für sämtliche Lebensbereiche zuständig zeichne. Zugleich informierte er die Bewohner, dass das Verlassen des Gettos verboten und er berechtigt sei, „alle hierfür erforderlichen Maßnahmen und Anordnungen zu treffen und diese mit Hilfe des mir unterstellten Ordnungsdienstes durchzusetzen“. Gleichzeitig verdeutlichte er aber auch, dass er lediglich Anordnungen der deutschen Besatzer umsetzte, wodurch sein Handeln einerseits legitimiert war, er andererseits ihnen gegenüber aber auch für alle Vorgänge im Getto verantwortlich war.

Getto Litzmannstadt: Die deutschen Verwaltungsbeamten des Gettos feiern eine Party (Quelle: USHMM, Photograph 65741)

Am 1. Mai 1940 wurde Biebow von Reinhard Heydrich zum Leiter der „Ernährungs- und Wirtschaftsstelle Getto“ ernannt und somit oberster Beamter im 250 Mitarbeiter umfassenden Stab der deutschen Getto-Verwaltung. In dieser Funktion handelte er ganz im Sinne seiner Vorgesetzten: Er beraubte er die jüdische Bevölkerung ihres Besitzes, ließ sie bei ungenügender Ernährung unter schlechtesten Bedingungen Schwerstarbeit leisten, um sie schließlich nach Chełmno oder Auschwitz zu deportieren. Indem der jüdische Besitz zu lächerlich niedrigen Preisen „angekauft“ wurde, wurden zwischen November 1940 bis August 1942 mehr als 18 Millionen Reichsmark eingenommen, was für rund 70 Prozent der Getto-Bewohner zur Folge hatte, sich nicht mehr aus eigenen Mitteln ernähren und einkleiden zu können. Stattdessen stiegen die Zahlen von Erkrankungen und Todesfällen steil an.

Getto Litzmannstadt: Mordechai Chaim Rumkowski während einer Ansprache im Getto (Quelle: USHMM, Photograph 21632)

Biebows jüdischer „Partner“ war mit Mordechai Chaim Rumkowski ein zuvor nur mäßig erfolgreicher Unternehmer und Direktor eines jüdischen Waisenhauses in Łódź, der am 13. Oktober 1939 zum „Juden-Ältesten“ ernannt und mit der Bildung eines „Judenrats“ beauftragt worden war. Im November 1939 wurde er nach schweren Misshandlungen erstmals gezwungen, mit Hilfe eines neu installierten „Judenrats“ eine Liste mit 50.000 Namen von Jüdinnen und Juden zu erstellen, die ins „Generalgouvernement“ deportiert werden sollten.

Rumkowski war also nur zu bewusst, wie die deutsche Seite mit der jüdischen Bevölkerung umzugehen gedachte, weshalb er nur eine Chance sah, deren Überleben zu sichern. Sein Motto als Chef der jüdischen „Selbstverwaltung“ lautete: „Unser einziger Weg ist Arbeit“, wobei die Produktivität seiner Betriebe das Getto für die Machthaber unentbehrlich machen und zugleich die Versorgung der Gettobevölkerung gewährleisten sollte. Vor diesem Hintergrund regte Rumkowski im April 1940 die Ansiedlung kriegswichtiger Produktionsstätten im Getto an, ein Vorschlag, der von deutscher Seite am 30. April 1940 - allerdings ohne Festlegung von Entlohnung und Versorgung - grundsätzlich gebilligt wurde.

Getto Litzmannstadt: Mitglieder des Judenrats in einem Büro im Getto. Darunter Zygmunt Reingold, der Leiter der Lebensmittelversorgung (2.v.l.) und sein Stellvertreter Max Szczesliwy, Mitleiter (in der Mitte sitzend). (Quelle: USHMM, Photograph Number: 63028)

Die von Rumkowski angestrebte Teilautonomie des Gettos war und blieb eine nur scheinbare, denn sie galt lediglich in den von NS-Seite eng abgesteckten Grenzen. Innerhalb des Gettos aber gewann Rumkowski durch sein Taktieren eine nahezu grenzenlose Macht, wobei er zu deren Durchsetzung über eine Polizei, ein Gericht und ein Gefängnis verfügte. Hierzu baute er einen großen Verwaltungsapparat einschließlich polizeilichem „Ordnungsdienst“ (OD) und Justizapparat auf, in dem Mitte 1940 rund 3.500, im März 1942 schließlich etwa 12.000 Menschen beschäftigt waren. Am 8. Juli 1940 wurde schließlich eine eigene Getto-Währung eingeführt. Als dann 1942 massenhafte Deportationen aus dem Getto stattfanden, wurde jedoch deutlich, wie wirkungslos Rumkowskis Strategie letztlich war. Sein verzweifeltes Bemühen, die angeordneten Deportationszahlen zu senken blieb ohne Erfolg.

Getto Litzmannstadt: Angehörige der jüdischen Getto-Administration (Quelle: USHMM, Photograph 48561)

Er war und blieb letztlich nichts anderes als ein nach außen weitgehend machtloser Erfüllungsgehilfe der deutschen Besatzer, der im Rahmen seiner geringen Möglichkeiten aber immerhin versuchte, die Getto-Bewohner zu schützen. Gemäß seiner Einschätzung konnte das am ehesten gelingen, wenn er den Deutschen dreifach entgegenkam – mit harter Arbeit der jüdischen Bevölkerung für deutsche Wirtschaftsinteressen, mit harter Disziplin unter den Getto-Bewohnern, um den Besatzern keine Anlässe für Übergriffe zu geben, und schließlich mittels einer persönlich harten Amtsführung, die der das „Führerprinzip“ praktizierenden deutschen Seite vertraut war und ihr daher wohl imponierte.

 

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